Gastbeitrag von Djure Meinen (@50hz) Mitglied im Rat der Stadt Varel und Vorsitzender der Fraktion Bündnis90/DIE GRÜNEN
Die gestrige Vorstellung der Bürgerbeteiligungsplattform Liquid Feedback im Jeverschen Rathaus war in vielerlei Hinsicht eine tolle Veranstaltung. Das war nicht zuletzt dem hervorragend vorbereiteten Referenten Andreas Nitsche (@cicerolax) geschuldet. Strukturiert, verständlich und mit Engelsgeduld hat er die Idee der Liquid Democracy, die von ihm entwickelte Software und die beabsichtigte Einbindung in kommunale Entscheidungsprozesse erläutert.
Letztere ist das wesentlich Neue, was nun in Friesland umgesetzt werden soll. Bürgerbeteiligung wurde bislang oft als unverbindliche Abfrage von Stimmungen verstanden. Das führt zu wenig Beteiligung und viel Enttäuschung, wenn sich Akteuere am Ende nicht ernst genommen fühlen. Die Macher von Liquid Feedback haben für solche Fälle den Einsatz ihrer Software bislang eher abgelehnt. Aus grundsätzlichen Überlegungen und weil sie dafür ohnehin wenig geeignet ist.
In Friesland sollen die Ergebnisse aus Liquid Feedback jedoch auf verbindliche Weise nach §34/35 NKomVG in die Beratungen des Kreistages einfließen. Damit bekommen abgestimmte Vorschläge aus Liquid Feedback den Charakter einer Unterschriftenliste, wie sie schon heute vielfach bei Landkreis und Kommunen eingereicht wird.
Toll war aber auch das Publikum. Natürlich gab es aus dem Kreistag kritische Nachfragen. Doch immer war konstruktives Interesse zu spüren. Alle wollten offenbar wirklich verstehen, wie LiquidFeedback funktioniert. Nirgendwo schien eine grundsätzliche Ablehnung gegenüber “diesem Internet” durch.
Wirklich begeistert hat mich der Landrat Sven Ambrosy. Ihm ist wohl die Idee zu verdanken, wie man LiquidFriesland – wie er LiquidFeedback kurzerhand umtaufte – mittels NKomVG verbindlich in die Arbeit des Kreistages einbinden kann. Mit dem Ministerium ist das auch schon abgestimmt. Er zeigte geschickt die Parallelen herkömmlicher Beratungen mit denen in LiquidFriesland auf und machte so verständlich, warum Beteiligung mittels Internet eigentlich gar nichts so Neues ist.
Und schließlich sagte er einen Satz der wegweisend ist. Ob es nicht problematisch sei, dass recht viele Friesen LiquidFeedback mangels geeignetem Zugang zum Internet gar nicht werden nutzen können, war gefragt worden. “Nein, ganz im Gegenteil!” war die Antwort. “Mit diesem Instrument bietet sich vielmehr die Chance neue Gruppen der Gesellschaft erstmals in den Beratungsprozess einzubinden.”
Das zeugt von Einsicht und Weitsicht. Denn in der Tat gelingt es ja immer weniger, junge Menschen zu politischem Engagement zu bewegen. Ein Teil der Begeisterung für die Piraten rührt genau daher. Es ist nicht vornehmlich mangelndes Interesse, sondern es sind die aus Sicht der “Internetmenschen” ungeeigneten Mittel der Kommunikation, die das Engagement für sie so schwer macht.
Ich bin nach gestern Abend guter Dinge, dass Kreisausschuss und Kreistag die Einführung von LiquidFriesland voranbringen werden und wir wohl noch in diesem Jahr erste Erfahrungen sammeln dürfen. Wohlan. Nur Mut!
(Dieser Artikel erschien ursprünglich im Varelblog, einem regionalen Ableger des Blogs 50hz, in dem der Autor regelmäßig zu Netzthemen publiziert.)