Fast alle demokratischen Organisationen und Gebietskörperschaften bedienen sich ab einer bestimmten Größe gewählter Repräsentanten. Dadurch wird zwar einerseits eine Überforderung der Menschen durch eine unüberschaubare Flut zu treffender Entscheidungen, wie sie in einer direkten Demokratie zu erwarten wäre, vermieden. Andererseits ist das Modell der repräsentativen Demokratie aber in der Kritik, weil aufgrund von Absichtserklärungen eine Entscheidung für ein ganzes Bündel politischer Ziele getroffen werden muss und den Repräsentanten für einen längeren Zeitraum die Entscheidungsgewalt übertragen wird.
Die "Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestags berät sich in diesen Tagen über einen Einsatz einer Software zur Einbeziehung von Bürgern in die politischen Arbeitsprozesse. In die nähere Auswahl ist hierbei auch LiquidFeedback gekommen.
Seit der Veröffentlichung von LiquidFeedback gab es seitens verschiedener Parteien und anderer Vereinigungen immer wieder Nachfragen bezüglich Informationsveranstaltungen zu LiquidFeedback und dem Einsatz elektronischer Medien zu demokratischen Zwecken. Da die Durchführung solcher Veranstaltungen den Rahmen der Public Software Group sprengt, haben sich Entwickler von LiquidFeedback zu einem neuen Verein "Interaktive Demokratie e. V." zusammengeschlossen.
Nachdem sich der Kern von LiquidFeedback einige Zeit im wesentlichen unverändert im produktiven Einsatz bewähren konnte, haben wir ihn nunmehr offiziell als stabile Version v1.0.0 deklariert (Sektkorken!). Das Frontend wird sicherlich noch einige Zeit "Beta" bleiben, da diverse Funktionen noch nicht fertig gestellt sind. Dennoch halten wir es aufgrund der in den letzten Monaten gesammelten Erfahrungen des realen Betriebs bereits jetzt für einsatzfähig. An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Kontributoren, Testern, Unterstützern und Anwendern für die Mitarbeit und das konstruktive Feedback danken - ohne dies wäre LiquidFeedback heute noch nicht soweit wie es ist!
Oftmals gibt es den Fall, dass mehrere Anträge zur Abstimmung zugelassen werden, die man grundsätzlich unterstützenswert findet und die sich evtl. nur in Detailfragen unterscheiden. Um zu vermeiden, dass diese Anträge trotz einer eigentlich bestehenden Mehrheit aufgrund von gegenseitiger Stimmenwegnahme nicht beschlossen werden können, gibt es in LiquidFeedback die Möglichkeit, mehreren konkurrierenden Anträgen GLEICHZEITIG zuzustimmen. Die verschiedenen Alternativanträge lassen sich außerdem in eine persönliche Präferenzreihenfolge bringen.
Kein System ist unangreifbar. Genau aus diesem Grund wurde beim Design von LiquidFeedback ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, die gesamte Stimmenauszählung nachvollziehbar zu gestalten, so dass sich jeder Teilnehmer selbst von der korrekten Zählung seiner Stimme überzeugen kann. Da hierbei auch Delegationen eine Rolle spielen, wird bei jedem Thema zu bestimmten kritischen Zeitpunkten ein sogenannter "Snapshot" erzeugt, der eine Kopie der aktuellen Unterstützersituation incl. der verwendeten Delegationen darstellt.
Ab sofort ist LiquidFeedback nicht nur als komprimiertes Tar-Archiv, sondern auch mittels eines verteilten Versionsverwaltungssystems (mercurial) verfügbar. Entwicklern wird es dadurch leichter gemacht, über Änderungen am Quellcode den Überblick zu behalten. Administratoren können auf einfachere Art Updates installieren, auch dann, wenn Anpassungen an der Software für die eigenen Bedürfnisse vorgenommen wurden. Zukünftige Updates werden ggf. schon vor einem offiziellen Release im jeweiligen Repository verfügbar sein.
Wir freuen uns über die vielen positiven Reaktionen auf unser LiquidFeedback-Projekt und die Angebote, uns zu unterstützen. Inzwischen haben wir uns hierzu Gedanken gemacht.
Die LiquidFeedback Implementation gliedert sich in zwei Teile: Den LiquidFeedback Kern (Core) und das LiquidFeedback Frontend. Die Speicherstruktur aller Daten sowie die Stimmenauszählung unter Berücksichtigung vorhandener Delegationen und das Überführen der Themen und Initiativen in die verschiedenen Antragsstadien ist Teil des Kerns. Die gesamte Bedienoberfläche einschließlich Benutzerauthentifizierung ist Teil des Frontends.