Dieser Artikel erschien zuerst auf der Online-Präsenz von
„vorwärts : die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie“
Die Initiative SPD++ fordert von der Partei, stärker digitale Beteiligungsmöglichkeiten zu nutzen. Das ist ein richtiger Ansatz. Um ihre Erneuerung gemeinsam mit der Basis voranzutreiben, sollte die SPD LiquidFeedback nutzen – als erste Volkspartei Europas.
Seit der Bundestagswahl 2017 werden die Stimmen lauter, die eine Erneuerung der Strukturen der SPD anstreben. Digitale Beteiligung könnte hierbei ein wichtiger Baustein sein. So fordert die u.a. von Henning Tillmann initiierte Bewegung „SPD++“:
„Die SPD muss ihre Instrumente interner Willensbildung modernisieren und öffnen. […] Die SPD soll der Ort sein, an dem sich Menschen jederzeit – kurzfristig, langfristig, thematisch umfassend oder begrenzt – engagieren und Einfluss haben können. Die Partei muss dabei neue, digitale Formen der Beteiligung stärker nutzen und einbeziehen.“
Digitale Medien bieten einer Partei zweifelsfrei den Vorteil, dass mehr Menschen etwas sagen können. Dieser Vorteil sollte aber nicht durch demokratische Defizite erkauft werden. Daher ist genau zu bedenken, wie digitale Beteiligung gestaltet wird. Zum einen sollen mehr Menschen bei hoher Durchlässigkeit beteiligt werden. Zum anderen soll alles fair, gerecht und dennoch praktikabel bleiben.
LiquidFeedback, eine Open-Source-Software zur politischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung, kann diese scheinbaren Widersprüche auflösen. Alle Genossinnen und Genossen können mittels LiquidFeedback eine faire und gerechte Debatte führen, gemeinsam Standpunkte entwickeln und über diese abstimmen.
Während bei einer Versammlung nur eine Person die ungeteilte Aufmerksamkeit haben kann, ermöglicht es LiquidFeedback, dass sich eine unbegrenzte Zahl von Parteimitgliedern gleichzeitig äußert. Damit dies weder im Chaos endet, noch jene, die häufiger schreiben, bevorteilt werden, verfügt LiquidFeedback über Mechanismen, die einen strukturierten Diskurs ermöglichen.
Aufgrund aller Eingaben und Unterstützungstimmen präsentiert LiquidFeedback die Debatte so, dass auch kleinere Gruppen (also zahlenmäßige Minderheiten in Bezug auf eine bestimmte Frage) angemessen berücksichtigt werden, ohne dass laute Minderheiten dominieren. Hierzu wird weder ein Moderatorenteam noch eine Antragskommission benötigt. Auf diese Weise würde sich die SPD nicht dem Vorwurf aussetzen, dass privilegierte Personen unlauter Einfluss nehmen, denn alle Teilnehmer sind bei LiquidFeedback tatsächlich gleichberechtigt. Mit LiquidFeedback kann eine parteiweite und zugleich faire Debatte organisiert werden.
Die SPD wäre die erste Volkspartei, in der auch kleinere Gruppen ihre Standpunkte ortsübergreifend und online erörtern und der Parteibasis zur Entscheidung vorlegen können. LiquidFeedback stellt dabei sicher, dass die Menge der debattierten Antragsgruppen ein angemessenes Volumen nicht übersteigt, während gleichzeitig allen Minderheiten die Möglichkeit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen.
Der Antragsentwicklungsprozess von LiquidFeedback ermöglicht jedem Parteimitglied, Verbesserungsvorschläge und auch Alternativen einzubringen. Selbstverständlich bleibt die Notwendigkeit politischer Überzeugungsarbeit erhalten, denn LiquidFeedback bewertet alternative Vorschläge nur aufgrund der Unterstützungsstimmen. Der politische Diskurs und überzeugende Argumente stehen also auch mit LiquidFeedback im Mittelpunkt der politischen Debatte der SPD.
Es gibt in der Politik einen allgegenwärtigen Zwiespalt, wenn sich eine Gruppe nicht ganz einig ist: Entweder man unterstützt ein Vorhaben ohne davon richtig überzeugt zu sein oder man geht mit einem eigenen Antrag das Risiko ein, durch politische Zersplitterung dem grundsätzlichen Anliegen zu schaden.
LiquidFeedback löst diesen Konflikt und setzt bewusst auf die Vielfalt der Alternativen. Auch für den Fall, dass mehrere konkurrierende Anträge mehrheitsfähig sind, stellt LiquidFeedback sicher, dass das Aufspalten eines Antrags in mehrere Alternativen dem grundsätzlichen Vorhaben nicht schadet. Hierzu erlaubt LiquidFeedback, über konkurrierende Anträge mit einer Präferenzwahl abzustimmen. Die SPD würde so ein höheres Maß an sachbezogener Durchlässigkeit erreichen.
Die von SPD++ formulierten Ziele sind umsetzbar, wenn jede Genossin und jeder Genosse tatsächlich gleiche Chancen in der politischen Debatte erhält. Herkömmliche Internet-Anwendungen, z. B. Foren, Online-Konferenzen oder Chats, können dies nicht erreichen. Nur mit einer Algorithmik, wie sie LiquidFeedback bietet, lassen sich die Prozesse aus der Offline-Welt nicht nur in die Online-Welt übertragen, sondern auch verbessern. Mehr Menschen können bei hoher Durchlässigkeit beteiligt werden. Die Meinungsbildung kann fairer und gerechter ablaufen und bleibt auch dann noch praktikabel wenn jede(r) mitredet.
LiquidFeedback ist eine Open-Source-Software und steht allen Parteien zur Verfügung. Die zugrundeliegenden Algorithmen sind öffentlich einsehbar und werden im Buch „The Principles of LiquidFeedback“ sowie im „The Liquid Democracy Journal“ ausführlich erläutert und begründet.
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