Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Bundestagswahl gibt es in der SPD neue Bestrebungen, die Willensbildung zu modernisieren und dabei auch auf Online-Beteiligung zu setzen. Diese soll durch Themenforen ermöglicht werden, die sich nicht mehr am bisherigen Ortsprinzip der Partei orientieren. [1] Der entsprechende Antragsentwurf fordert, dass sich „jedes Parteimitglied […] unbürokratisch in […] Online-Themenforen beteiligen können“ soll. Diese Foren sollen „antragsberechtigt für den Bundesparteitag“ sein und „Delegierte für den Bundesparteitag“ stellen. [2] Genauso wie ein „analoger“ Parteitag nur durch eine durchdachte Geschäftsordnung fair bleiben kann, braucht auch digitale Online-Beteiligung demokratische Prozesse und faire Regeln, wie sie von herkömmlicher Internet-Software gar nicht geboten werden.
Wir laden die SPD daher zu einem Test der in Kürze verfügbaren Version 4.0 von LiquidFeedback ein und bieten unsere Unterstützung bei der Erstellung eines Umsetzungskonzeptes zur Online-Beteiligung an.
LiquidFeedback [3] ermöglicht es, dass sich Genossinnen und Genossen bundesweit zu Themen organisieren, debattieren und verbindliche Beschlüsse fassen bzw. Anträge an die Bundesdelegiertenversammlung stellen. Die Algorithmen zur kollektiven Moderation, proportionalen (ortsübergreifenden) Repräsentation von Minderheiten und der auf dem Mehrheitsprinzip fußenden Präferenzwahl stellen hierbei sicher, dass auch bei einer unbegrenzten Anzahl von Nutzern eine faire und konstruktive Debatte mit der geforderten Durchlässigkeit möglich ist.
Die transitive Stimmendelegation von LiquidFeedback ermöglicht eine dynamische Arbeitsteilung, so dass Mitglieder, die über weniger Zeit verfügen, genauso Beachtung finden. Erst kürzlich stellte die sozialdemokratische Zeitung „vorwärts“ auf Ihrer Online-Plattform wichtige Fragen zur Online-Beteiligung, auf die wir im Beitrag „Wolfgang Gründinger fragt, LiquidFeedback antwortet“ eingegangen sind. [4]
LiquidFeedback 4.0 setzt erstmalig neue Erkenntnisse zum Beteiligen noch größerer Nutzergruppen in die Realität um. [5][6] Nach einem Pilotbetrieb bei ausgewählten Anwendern wird die vollständig überarbeitete Bedienoberfläche (Material Design, übersichtliche Bedienung bei vereinfachten Prozessen, besserer Support für mobile Endgeräte und vieles mehr) in Kürze veröffentlicht.
Das Projekt LiquidFeedback hat sich seit nunmehr acht Jahren mit der Frage beschäftigt, wie eine gleichberechtigte Einbindung aller Mitglieder einer politischen Partei in Entscheidungsprozesse erreicht werden kann, um der repräsentativen Demokratie neue Impulse zu geben. [7] LiquidFeedback ermöglicht es, online eine faire Debatte zu führen, Antragstexte zu entwickeln und darüber abzustimmen. Hierbei können Minderheiten ihre Standpunkte – wie vom Parteiengesetz gefordert – angemessen zur Diskussion stellen. Zugleich wird verhindert, dass die Debatte durch besonders laute Teilnehmer dominiert wird. Das Projekt arbeitet mit Wissenschaftlern verschiedener Fachgebiete zusammen. [8][9] Nicht ohne Grund hat sich LiquidFeedback zur internationalen Benchmark für gleichberechtigte Selbstorganisation und faire Beteiligungsprozesse entwickelt.
Jan Behrens, Axel Kistner, Andreas Nitsche und Björn Swierczek
[1] spdplusplus.de, abgerufen am 3. Oktober 2017
[2] Antragsentwurf „Einführung von online-organisierten Themenforen“, abgerufen am 3. Oktober 2017 von spdplusplus.de
[4] Jan Behrens: „Wolfgang Gründinger fragt, LiquidFeedback antwortet“, 21. September 2017 auf www.interaktive-demokratie.org
[5] J. Behrens, A. Nitsche, B. Swierczek: „A Finite Discourse Space for an Infinite Number Of Participants“, 28. Juli 2015
[6] J. Behrens, A. Nitsche, B. Swierczek: „LiquidFeedback's Issue Limiter", 11. Mai 2017, im „The Liquid Democracy Journal“, Ausgabe 5, ISSN 2198-9532
[7] Andreas Nitsche: „Warum Liquid Democracy keine Alternative zur parlamentarischen Republik ist“ auf der Online-Präsenz von „vorwärts : die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie“, 21. März 2017
[8] Keynote zu LiquidFeedback beim COST Action Industry Day in Toulouse, 21. Juni 2016
[9] “The Future of Democracy” at the University of Bologna, 3. November 2016
Large portions of LiquidFeedback 4.0 have been contributed by FlexiGuided GmbH as part of the WeGovNow project which has received funding from the European Union's Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 693514.