Immer wieder werden wir auf Bürgerbeteiligungsprojekte oder Beteiligungsprojekte unter Einbeziehung der Öffentlichkeit angesprochen. Wir haben potentiellen Anwendern stets vom Einsatz abgeraten, wenn klar wurde, dass aufgrund der Rahmenbedingungen kein ernsthafter Einsatz möglich ist. Als Beispiele seien hier die Enquête-Kommision Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages [1] oder die Aktion des Zeit-Magazins zur Gestaltung eines Heftes genannt.
In der Konzeptionsphase eines Beteiligungsprojektes sollten die in unserem Blogbeitrag "Die 5 W-Fragen politischer Beteiligung: Wer soll an was, womit, wie und wozu beteiligt werden?" aufgeworfenen Fragen schlüssig beantwortet werden. [2] Häufig werden die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses als Empfehlungen für die eigentlichen Entscheidungsträger gedacht sein. Auch in diesen Fällen darf es keinen Zweifel darüber geben, dass die Ergebnisse den Willen der Teilnehmer ausdrücken. Wenn die Ergebnisse darüber hinaus für eine bestimmte Personengruppe (unabhängig von der Teilnahme im Einzelfall) gelten sollen, muss diese Personengruppe sich zunächst durch Vereinbarung oder per Gesetz auf die Nutzung eines solchen Systems verständigt haben und jedes Mitglied dieser Gruppe muss die Möglichkeit haben, genau einen Zugang zum System (also auch nicht mehrere!) zu erhalten. [3] Ohne diese Voraussetzungen handelt es sich um Beteiligungssimulationen mit zweifelhaften Ergebnissen, denen man kaum Aussagekraft oder gar Verbindlichkeit zugestehen wird. Für Bürger lohnt sich die Teilnahme aber nur, wenn die Beteiligung konkrete Auswirkungen hat. Beteiligungssimulationen, wie sie zuletzt auch von prominenten Persönlichkeiten gefordert wurden, lehnen wir deshalb ab. [4] [5]
Uns ist bewusst, dass die oben aufgeführten Voraussetzungen im Kontext der Bürgerbeteiligung wesentlich größere Herausforderungen darstellen als beim partei- oder vereinsinternen Einsatz. Wer jedoch den Aufwand einer ordnungsgemäßen Akkreditierung der Teilnehmer scheut, sollte vom Betrieb eines Beteiligungssystems Abstand nehmen.
Darüber hinaus erfordert echte Beteiligung Mut, mindestens den Mut zuzulassen, dass offensichtlich wird, wenn ein Repräsentant anders entscheidet als die Mehrheit der durch ihn Vertretenen. Für letzteres mag es natürlich gute Gründe geben, die dann entsprechend darzulegen wären. Es muss vorab festgelegt werden, in welcher Weise die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung in den parlamentarischen Prozess bzw. die Verwaltung einfließen.
[1] http://liquidfeedback.org/2010/09/16/enquete-kommission-berat-uber-liquidfeedback/
[3] http://liquidfeedback.org/2011/09/15/ueberprufbarkeit-demokratischer-prozesse-teil-2/
[4] http://loreenasworte.wordpress.com/2012/03/04/antwort-zu-burgerliquid-von-maha/
[5] http://loreenasworte.wordpress.com/2012/03/04/antwort-zu-burgerliquid-von-maha/#comments