(Update siehe unten)
In einem Artikel zu Risiken von Online-Wahlen [1] greift die Konrad-Adenauer-Stiftung (Autor Dr. Stephan Eisel) auf die Expertise der LiquidFeedback-Entwickler zurück. Allerdings wurde behauptet, die Entwickler hätten der Piratenpartei „die Nutzung ihrer Software für parteiinterne Entscheidungsverfahren untersagt“.
Diese Aussage ist falsch. Richtig ist, dass sich die LiquidFeedback-Entwickler im Jahr 2012 in einem Beitrag von der Art des Einsatzes der Software durch die Piratenpartei distanziert haben. [2] Im Gegensatz zur falschen Darstellung durch die Konrad-Adenauer-Stiftung wird dort sogar explizit darauf hingewiesen, dass es kein Nutzungsverbot gibt. Schon die liberale Open-Source-Lizenz von LiquidFeedback stellt sicher, dass LiquidFeedback von allen genutzt werden kann, die das wollen. [3]
Als Grund für das angebliche Verbot wird angeführt, dass die Entwickler der Software LiquidFeedback im genannten Jahr 2012 ein „grundsätzliches Problem eingeräumt“ hätten, nämlich dass Online-Wahlen nicht gleichzeitig das Wahlgeheimnis und den Schutz vor Manipulationen sicherstellen können. Die gewählte Formulierung ist geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass dies für die Entwickler von LiquidFeedback zu diesem Zeitpunkt neu war und es in diesem Zusammenhang grundsätzliche Probleme mit dem Einsatz von LiquidFeedback gäbe, die bei der Entwicklung unberücksichtigt blieben.
Auch dies trifft nicht zu. Richtig ist, dass die Software LiquidFeedback bereits von Grund auf nur für namentliche Abstimmungen (u. a. für den Einsatz in Parteien) entwickelt wurde. Gerade um die bei Online-Verfahren vorhandene Unvereinbarkeit zwischen Wahlgeheimnis und Schutz vor Manipulationen aufzulösen, wurde bereits 2009 (zu Beginn der Entwicklung) ganz bewusst entschieden, auf die geheime Stimmabgabe zu verzichten. So konnte eine Überprüfbarkeit des Verfahrens durch die Teilnehmer und dadurch Schutz vor Manipulationen erreicht werden. [4] Folgerichtig ist LiquidFeedback für geheime Verfahren (also z. B. für Personenwahlen) weder gedacht noch geeignet. Dies stellt auch kein grundsätzliches Problem in Hinblick auf den Einsatz in Parteien dar, da bei Sachfragen offene Abstimmungen üblich sind, vergleiche „Über die Zulässigkeit offener Abstimmungen in politischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland“ [5]. Genau dieses Prinzip der offenen Abstimmungen in LiquidFeedback wurde jedoch von der Piratenpartei durch eine Pseudonymisierung der Teilnehmer gezielt umgangen, weshalb es überhaupt zu der eingangs erwähnten Distanzierung kam. LiquidFeedback soll die geheime Urnenwahl mittels Stift und Papier gar nicht ersetzen. [6]
Wir freuen uns, dass sich die Konrad-Adenauer-Stiftung kritisch mit Online-Wahlen auseinandersetzt. Wir raten jedoch dazu, im Detail gewissenhafter zu recherchieren und geeignete Autoren auszuwählen. Die falsche Darstellung ist vollkommen unverständlich, da der von der Konrad-Adenauer-Stiftung verwendete (und ohne genaue Quellenangabe zitierte) Originalbeitrag [2] alle Hintergründe erläutert und ein früherer Artikel des selben Autors aufzeigt, dass die Fakten sehr wohl bekannt waren.
Wir haben die Konrad-Adenauer Stiftung darüber informiert, dass das Internet kein „rechtsfreier Raum“ ist und bezüglich der falschen Aussage auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Wir verstehen, dass Veränderung beängstigend sein kann. Das Angebot an alle Mitglieder einer politischen Partei, in einen gleichberechtigten innerparteilichen Diskurs einzutreten, mag revolutionär erscheinen, kann aber der repräsentativen Demokratie neue Impulse verleihen und dazu beitragen, sie zu stärken und zu bewahren. Gerade dies ist das Ziel von LiquidFeedback. [6][7] Der Einsatz von Technologie stellt hierbei keinen Selbstzweck dar: Erst das Zusammenspiel fairer Algorithmen in einem transparenten Prozess schafft die notwendige Grundlage dafür, dass auch sehr große Gruppen einen gleichberechtigten Diskurs führen können. [7]
LiquidFeedback ermöglicht es progressiven, liberalen und auch konservativen Parteien, ihre Mitglieder an allen Entscheidungsprozessen direkt zu beteiligen. Letztlich bleibt es aber jeder Partei selbst überlassen, wie sie sich organisiert und ihre programmatischen Entscheidungen trifft. In jedem Falle müssen sich alle Parteien dem Wähler in allgemeinen, gleichen, freien und geheimen Wahlen stellen. Für diese sehen wir, die Entwickler von LiquidFeedback, im übrigen nur eine Option: Die Wahlurne. [6][7][8]
Jan Behrens, Axel Kistner, Andreas Nitsche, Björn Swierczek
—Entwickler von LiquidFeedback
Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat die unwahre Tatsachenbehauptung entfernt und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
LiquidFeedback ist ein unabhängiges und überparteiliches Open-Source-Projekt, das vom Public Software Group e. V. unter MIT Lizenz veröffentlicht wird. Die LiquidFeedback-Entwickler haben sich im Interaktive Demokratie e. V. zusammengeschlossen, um die Anwendung von elektronischen Medien für demokratische Prozesse zu fördern.
[1] Dr. Stephan Eisel: „Besser das Kreuz als ein Klick“, veröffentlicht auf der Webpräsenz der Konrad-Adenauer-Stiftung, Stand 15. September 2017
[2] J. Behrens, A. Kistner, A. Nitsche, B. Swierczek: „LiquidFeedback-Entwickler distanzieren sich vom Einsatz ihrer Software in der Piratenpartei“, 17. September 2012
[3] Webpräsenz liquidfeedback.org
[4] Björn Swierczek: „5 Jahre Liquid Democracy in Deutschland“, 17. August 2011
[5] A. Kistner, B. Swierczek: „Über die Zulässigkeit offener Abstimmungen in politischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland“, 26. November 2014
[6] Andreas Nitsche: „Warum Liquid Democracy keine Alternative zur parlamentarischen Republik ist“ auf der Online-Präsenz von „vorwärts : die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie“, 21. März 2017
[7] J. Behrens, A. Kistner, A. Nitsche, B. Swierczek: „The Principles of LiquidFeedback“, Januar 2014, ISBN 978-3-00-044795-2. Verfügbar unter: http://principles.liquidfeedback.org/
[8] Björn Swierczek: „Überprüfbarkeit demokratischer Prozesse“ Teil 1 und Teil 2, 15. September 2011